Aktuelles

Minivan Radio auf den Malediven
Das wohl jüngste Zielgebiet für einen politischen Untergrundsender sind die Malediven. Präsident Maumoon Abdul Gayoom regiert die Inselgruppe im ...mehr...

...Politische Untergrundsender...

...Geheimsender im Zweiten Weltkrieg...

Einführung

In modernen Kriegen kämpft der Gegner nicht nur mit militärischen Waffen, sondern auch mit Mitteln, die das Volk seelisch beeinflussen und zerstören sollen.

Der Hörfunk als das erste, schnellste und umfassendste elektronische Informationsmittel spielt dabei eine große Rolle. Die an sich unschlagbare Kombination von Wort und Bild des Fernsehens benötigt bis zum Hirn und Herz des Hörers und Zuschauers wesentlich mehr Zeit.

Da ein Geheimsender ohne Vorankündigung in Erscheinung tritt, lässt sich der genaue Zeitpunkt , wann und wo ein solcher Sender erstmals seine Tätigkeit aufgenommen hat, kaum mit Sicherheit feststellen. Als Pioniere der Untergrund-Propaganda gelten aber zaristische und kommunistische Geheimsender der Sowjetunion sowie der Sender der "Schwarzen Front" Otto Strassers in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen.

Man unterscheidet die Geheimsender in weiße, graue und schwarze Propaganda. Weiße Propaganda nennt klar und erkennbar Auftraggeber und Produzenten, schwarze Propaganda erweckt bei ihrer Zielgruppe den Eindruck, einer anderen Quelle als der tatsächlichen zu entstammen. Dazwischen befindet sich eine Grauzone, in der es keinen eindeutig bestimmte Produzenten und Hersteller gibt.

Diese Tatsachen spielten erstmals im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle, als Nazis und Alliierte sich eine rücksichtslose Luftschacht im Äther lieferten. Die getarnte bzw. falsch vorgegebene Herkunft der Propagandawaffen erschwerte oft ihre eindeutige Identifizierung und behinderte gleichzeitig ihre Bekämpfung als "Feindpropaganda".

Wichtige Marksteine in der Geschichte des Untergrund-Rundfunks der Nachkriegsjahre setzten der Palästina-Konflikt (seit 1948), der Ungarn-Aufstand (1956), die Revolution auf Kuba (1958), der Vietnam-Krieg (1964 bis 1975), der Prager Frühling (1968), aus heutiger Sicht die Krisenherde Afghanistan, Iran, Irak, Kuba, der Nahe Osten und Nordafrika.

Es besteht kein Zweifel: Politische Untergrundsender wird es immer geben, solange es die Politik nicht schafft, allseitige Lösungen zu schaffen. "Wie die Rebellion hat der Geheimsender eine lichte und eine dunkle Seite; er ist ein Teil von ihr", schrieb Horst Löser 1972 in einem Beitrag für das Handbuch der Deutschen Welle.


Die Geschichte der Geheimsender
Auszüge aus der Schriftenreihe
„Politische Untergrundsender“ im Verlag Rainer Pinkau


1934 - Der Kurzwellensender der "Schwarzen Front" Otto Strassers

Den ersten sich am Rundfunk entzündeten Konflikt löste der Kurzwellensender der "Schwarzen Front" Otto Strassers aus. Am 12. Dezember 1934 verlangte auf Anweisung des Auswärtigen Amtes der deutsche Gesandte in Prag vom tschechoslowakischen Außenminister, den Schwarzsender, "eine Hetzzentrale der in Deutschland als staatsfeindlich bezeichneten sogenannten Schwarzen Front", zu verbieten. Als der Sender trotz weiterer Interventionen nicht zum Schweigen gebracht werden konnte, ließ die Gestapo den technischen Leiter, Rolf Formis, in Zehory, in der Nähe von Prag, in der Nacht vom 23. auf den 24. Januar 1935 ermorden. Die tschechoslowakischen Behörden reagierten zwiespältig auf das brutale Vorgehen, das ein nach Deutschland hineinwirkendes Sprachrohr emigrierter deutscher Politiker zum Schweigen brachte. Statt der tschechoslowakischen Regierung ergriff die deutsche Diplomatie die Initiative und suchte die Schuld für die Bluttat von Zehory Otto Strasser anzulasten, der monatelang über den Schwarzsender zur Ermordung Hitlers aufgerufen und sich Gesetzesübertretungen seinem Gastland gegenüber habe zuschulden kommen lassen. Wegen des Verstoßes gegen das Radiotelegraphengesetz der tschechoslowakischen Republik verurteilte ein tschechoslowakisches Gericht Strasser im Dezember 1935 zu fünf Monaten Gefängnis ohne Bewährung.

Der Kurzwellensender der "Schwarzen Front" kündigte sich folgendermaßen an:

"Achtung! Achtung! Hier ist der Landschaftssender Berlin der Schwarzen Front! Zur Vereinbarung der Sendezeiten und Zusendung von Zeitungsexemplaren oder Ausschnitten in deutscher, englischer oder französischen Sprache wolle man sich am Postfach 327 in Kopenhagen, Dänemark, wenden bzw. wolle man solche dorthin senden."

Der Sender sprach von einer Wellenlänge von 49,5 Meter und gab seine Sendezeiten für täglich 13 bis 15 Uhr und abends ab 23 Uhr an und teilte weiter mit, dass die offizielle Inbetriebnahme des Senders erst etwa vom 10. Januar 1935 an stattfinde.


1939-1945 - Geheimsender im Zweiten Weltkrieg

Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht auf Welle 29,8

Am 10. Januar 1937 und von da an fast täglich war abends von zehn bis elf Uhr auf Kurzwelle im ganzen Reichsgebiet ein starker antifaschistischer Sender zu empfangen. Nach den ersten Takten der "Internationale" als Erkennungsmelodie meldete sich der Sprecher:

"Achtung, Achtung! Hier spricht der Deutsche Freiheitssender 29,8. Sollten Sie uns nicht im 29,8-Meter-Band erreichen, dann suchen Sie bitte etwas links oder etwas rechts dieser Wellenlänge, wir weichen dem Störsender aus."

"Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht auf Welle 29,8", wie der Sender sich selbst nannte, brachte bei der Gestapo tatsächlich einige Aufregung. Die Staatspolizei-Leitstelle in Berlin notierte (Mitschnitt):

„Bald werden die offiziellen Sendungen ganz aufhören, und unsere Geheimsender werden die einzigen sein, die die Bevölkerung informieren können. Ihr habt seit einigen Monaten die Zuverlässigkeit nicht nur unserer Nachrichten, sondern selbst die unserer Vorhersagen auf den Wahrheitsgehalt überprüfen können, und wir werden unsere gefahrvolle Arbeit fortsetzen bis zum Sieg des französischen Volkes über seine Ausbeuter.

Es ist unnütz, immerfort die Schlagzeilen der bürgerlichen Boulevard-Presse zu lesen, die verbreiten alle die gleichen Lügen, die ihnen die Bande von Mandel und Beynaud diktiert. Gegenwärtig gibt es nur eine Wahrheit, um die Ereignisse zu verstehen, das ist die revolutionäre Wahrheit. Die kommenden Tage werden den Ruin des verrotteten Systems vollenden, des verrotteten Systems der 200 Familien. Man muss mit Nachrichten über schreckliche Niederlagen rechnen, aber sie legen den Weg für die Revolution frei.“

(6. Juni 1940) „In dieser Stunde haben die deutschen Panzer und motorisierten Divisionen ihren unaufhaltsamen Vormarsch auf Paris fortgesetzt. Vor zwei Tagen haben sie die Somme überschritten und die famose Weygand-Linie durchbrochen. Das Volk Frankreichs glauben zu machen, dass der Widerstand doch einen Sinn habe, ist ein Verbrechen. Aber die 200 Familien und die Kaste von Säbelrasslern, Bischöfen, Industrie-Rittern und Gaunern, die sie unterstützt, wissen sehr wohl, dass sie so oder so verloren sind, und sie sind fest entschlossen, sich an dem Volk zu rächen, das sie bis jetzt ausgebeutet haben. Um ihre Flucht zu decken, sind sie fest entschlossen, ihm auch bis zum Ende die Wahrheit zu verbergen.

Franzosen! Was Ihr bis jetzt kennengelernt habt, ist nur ein Vorgeschmack auf die Schlächtereien, die nun beginnen. Das Elend hat gerade erst angefangen. Denn diesmal ist es die ganze Masse der deutschen Armeen, die sich auf uns stürzt ... Die Generäle müssen mit dem gleichen Urteilsspruch hingerichtet werden, wie die Kapitalisten und die Politiker. Arbeiter und Bauern, Beamte und Handwerker, Franzosen aus dem Volke, alle Führer der kapitalistischen Gesellschaft haben das Volk von Frankreich verraten und es in ein Gemetzel gestürzt. Sie wussten sehr wohl, dass es nicht lebend daraus hervorgehen würde. Arbeiter und Soldaten, Franzosen, seid entschlossen, unsere Toten zu rächen, eure Kugeln sollen nicht ins Leere gehen, zielt auf die Köpfe, zielt auf die Verräter und zielt gut! Die Stunde der großen Abrechnung wird bald da sein.“


Radio Humanité, Nazi-Sender unter kommunistischer Tarnung

Nach Auffassung des britischen Journalisten Sefton Delmer, der in Großbritannien mehrere Geheimsender gegen das Dritte Reich organisierte, war Radio Humanité der erfolgreichste deutsche Geheimsender im Zweiten Weltkrieg. Er sendete, gesteuert vom Propagandaministerium in Berlin, unter kommunistischer Tarnung während des Frankreich-Feldzuges. Dieser schwarze Untergrundsender ging sogar so weit, dass Hitler und Goebbels in den Sendungen verunglimpft wurden. Einige Beispiele der Desinformation:

(5. Juni 1940) „Ihr seid erstaunt, seit einigen Tagen nichts oder nur sehr unregelmäßig gewisse staatlich Radiosender zu empfangen. Unsere Genossen kennen sehr wohl den Grund dafür. Ihr erbitterter Kampf gegen die Propagandainstrumente der Kapitalisten ist schon von Erfolg gekrönt. Wir haben gewisse Sabotageoperationen an einigen Sendern mit Erfolg vornehmen können. Unnötig, euch zu sagen, dass unsere Aktion fortgesetzt wird und dass alle Reparaturversuche zu nichts führen werden.

Wir wollen alle Hörer wissen lassen, dass die Funkstille einiger Sender nicht durch Alarme begründet ist. Im Gegenteil, die begierig sind, Nachrichten zu hören, und die keine großen Geräte haben, mit denen sie fremde Sender empfangen können, versäumen nichts. Die Radiosendungen versuchen nur den Umfang der Katastrophe zu verschleiern, die sich gegenwärtig in Frankreich abspielt.

Wenn sie es noch nicht wissen, dann wollen wir es ihnen sagen: Die Deutschen sind gegenwärtig im Besitz der ganzen Kanalküste von der Somme an. Das bedeutet, dass die deutschen Armeen sich bald auf Paris stürzen werden und dass es sinnvoll ist, alle benachbarten Regionen und die Hauptstadt zu evakuieren, ob im Norden, im Osten oder im Süden.“


Nach Griechenland gerichteter Nazi-Sender "Vaterland" (Patris)

Tarnung: innergriechisch. Angeblicher Stand: in den Bergen bei Athen. Angeblich betreibende Kräfte: politische Geheimorganisationen, zusammengesetzt aus "unparteiischen jungen wahren Patrioten", die in der Stunde der Not Koalitionen mit allen Parteien anstreben, angeblich engste Verbindung mit Wehrmacht, Kirche, Teilen der Regierung. Tendenz: patriotisch und europäisch. Innenpolitik: mahnend, warnend, belehrend. Europäische Perspektive: Deutschland kämpft für ein viel größeres Ziel als für das Wohl nur eines einzigen Volkes; es kämpft für Europa.

Propagandamittel: Greuelmeldungen über die Engländer (zum Beispiel: Trinkt kein Wasser. Die Engländer haben die Wasserleitung des Marathonsees mit Bakterien infiziert usw.), über die Amerikaner (Pläne zur Vergewaltigung des griechischen Handels aufgefunden; Geschäfte mit Museumsgegenständen; Verschleppung des griechischen Kronschatzes), Verwirrungsmeldungen: Verwirrende Anweisungen der Minister an untergeordnete Organe z. B. des Polizeiministers, an einzelne vorgeschobene Posten, Handlungen zu begehen, die indirekt im Sinne der deutschen Politik liegen und weiteres Blutvergießen vermeiden. Aufforderung zur Gewaltanwendung zur Bestrafung der Engländer (auf Grund der Greuelnachrichten).

Sender Vaterland, 18. April 1941:

„Hier ist der unabhängige griechische Sender Vaterland! Hier spricht die Stimme der Zukunft! Hier spricht Hellas zu Hellas! Griechenland lebt und wird leben! Brüder, seid auf der Hut! Die Stunde verlangt es! Wir sind euch nahe, wir sind schon mitten unter euch! Wir fühlen mit euch jeden Augenblick!

Die Stimme des griechischen Patriotismus ruft euch. Sie erhebt sich nicht all zu weit von Athen, aus den unsterblichen griechischen Bergen. Von Tag zu Tag schwillt sie stärker an. Ihr Echo erklingt bereits aus den Reihen der Kameraden und Kämpfer. In alle Ecken Griechenlands, in jedes Patriotenherz, dringt unser Wort und schwillt so an zu einem Orkan, der Griechenlands Zukunft erobert.

Wir sind keine Kritikaster, keine kränklichen Nörgler. Wir sammeln und vertreten die schöpferischen Kräfte unseres geliebten Vaterlandes. Wir stehen über jeder Partei, über allen eigennützigen Interessen und persönlichem Ehrgeiz. Ziel und Leitsatz ist für uns das allgemeine Wohl, die Rettung und das Glück unseres Griechenlands. Mitkämpfer, Freunde und Kameraden sind alle diejenigen, die mit uns für das Vaterland fühlen und diejenigen, die an seine Zukunft denken. Mit uns ist das Griechenland von morgen!

Hier ist der unabhängige griechische Sender Vaterland auf Welle 46,8 m. Hier spricht Hellas zu Hellas. Unser Sender ist das Organ der politischen Geheimorganisation Griechenlands, in der die wahrhaften griechischen Patrioten alle vereint sind. Brüder, hört her auf uns! Der Segen der Kirche ist über uns, Gott ist mit uns. Unser Kampf wird geführt von starken Einheiten des griechischen Heeres und unsere geheimen Mittelsmänner in der Regierung brennen darauf, uns die Macht zu übergeben! Vorwärts, Kinder! Jeder, der an Griechenland glaubt und der guten Willens ist, wird von uns aufgenommen! Brüder, hört her auf und!“

Sender Vaterland, 19. April 1941:

„Athener! Trinkt kein Wasser, die Engländer haben ein fast unglaubliches Vorhaben ausgeführt. Beamte des englischen Geheimdienstes haben den Marathon-See von der Nordostseite her mit Typhusbazillen infiziert, um den Deutschen einen englischen Empfang zu bereiten. Dass dabei nicht nur die Deutschen, sondern viele Tausende von Athenern zu Grunde gehen, ist den Briten gleichgültig! Athener, wir warnen euch! Männer, Frauen, Kinder! Nehmt keinen Tropfen Wasser auf die Lippen, es sei denn, dass auch ihr für die englische Verbrecherpolitik sterben wollt. Nehmt kein ungekochtes und undestilliertes Wasser zu euch. Nehmt euch in Acht! Wir geben euch weitere Nachrichten!“

Sender Vaterland, 19. April 1941:

„Griechische Brüder! Wir haben geheime Abgesandte empfangen und haben bei diesen Besprechungen festgestellt, dass Griechenland nicht nur nicht verloren ist, sondern dass ihm im Gegensatz ein weiterer und grenzenloser Blick in die Zukunft offen steht. Im neuen Europa werden unsere Grenzen nicht enger, sondern weiter, sehr weit gezogen sein. Voller Freude sind wir von diesen Besprechungen zurückgekehrt, denn uns wurden Vorschläge gemacht, die uns überzeugten, dass uns die Welt offen steht. Besonders der griechischen Handelsflotte ist eine entscheidende Rolle im östlichen Mittelmeer sicher, und weit darüber hinaus bis an alle Küsten Afrikas wird griechische Tüchtigkeit wirken und auf uns alle rückwirken.

Binnen kurzem schon werden wir darüber den Kopf schütteln, dass wir an Grenzen unser Blut gelassen haben, die mitten im Innern unseres geistigen Raumes liegen. Ach, liebe Brüder, versteht ihr denn nicht, dass Italien kein Problem für uns ist? Wir können es euch fest versichern. Wenn ihr nur richtig sehen wollt, dann werdet ihr begreifen, dass es in der nächsten Zukunft schon überhaupt keine Grenzen mehr geben wird und dass die Grenze den Raum umschließt, den ein Volk mit seinem Geist, mit seiner Tüchtigkeit ausfüllen kann.

Denkt an unsere Kirche, die endlich die Möglichkeit des freien Wirkens im ganzen Balkan hat. Der verhängnisvolle Fehler von Capodistria kann endlich gutgemacht weder. Vom lodernden Feuer der heiligen panhellionischen Orthodoxen Kirche kann der griechische Glaube und griechische Kultur in den ganzen Balkan getragen werden! Öffnet doch die Augen und begreift endlich, dass die Zukunft weit größere und großartigere Möglichkeiten bietet als die beengte, ärmliche Vergangenheit, mit der wir ein für alle mal Schiffbruch erlitten haben. Vorwärts mit uns! Beflügeln wir mit den Schwingen des griechischen Geistes das werdende neue Europa!


Gustav Siegfried Eins, britischer Geheimsender im Zweiten Weltkrieg

Denis Safton Delmer, Chef der britischen Geheimsender im Zweiten Weltkrieg, hat einen Bericht über die erste Sendung von "Gustav Siegfried Eins", einem der erfolgreichsten politischen Untergrundsender jener Zeit, in seinem Buch „Black Boomerang" aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Dennoch ist er wohl eine recht zutreffende Darstellung dessen, was geschah. Der mysteriöse Herr "Gustav Siegfried Eins", der "Chef", war ein Phantasieprodukt Delmers und glich in gewisser Weise einem deutschen Prototyp, den er seinerzeit in Berlin kennengelernt hatte. Der "Chef" war in seinen Augen ein Repräsentant der Stimme einer bis jetzt noch nicht klar zu identifizierenden Opposition, der Opposition der patriotischen Deutschen - Denis Sefton Delmer:

Der Chef eröffnete die erste Sendung ganz nüchtern mit der Ansage des Rufzeichens und diktierte dann einen chiffrierten Text:

"Hier ist Gustav Siegfried Eins ... hier ist Gustav Siegfried Eins..." wiederholte er über etwa 45 Sekunden mit monotoner Stimme. Dann sagte er: "Ich rufe Gustav Siegfried 18; eine Botschaft für Gustav Siegfried 18 ..." Es folgte ein mit Zifferncode verschlüsselter Funkspruch. Es war kein sehr komplizierter Code, und wenn er von den Spezialisten im Reichssicherheitshauptamt entschlüsselt wurde, was anzunehmen war, dann würde nach meiner Ansicht bei den Zweigstellen der Gestapo überall in Deutschland eine sehr lebhafte Geschäftigkeit beginnen.

In dem Funkspruch hieß es nämlich: „Willi wird sich am Freitag während der zweiten Vorstellung in der fünften Parkettreihe des Unionstheaters mit Jochen treffen." Es gab in Deutschland Hunderte von Kinos mit dem Namen Uniontheater, und ich stellte mir sofort die Kerle vor, die in jedem von ihnen nach Willi und Jochen Ausschau hielten. Die Gestapo würde mit ihren Richtantennen sehr bald feststellen, dass unsere Sendungen aus Großbritannien kamen, und sie konnten die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Willi und Jochen britische Agenten waren und es sich um einen echten Funkspruch handelte.

Nach der Ansage der verschlüsselten Mitteilung war es dann endlich so weit, dass der "Chef" seine Ansprache halten konnte. Er sagte, er werde zunächst Fragen beantworten, die nach der letzten Sendung eingegangen seien. (Eine solche Sendung hatte es natürlich noch nicht gegeben, aber ich hielt es für richtig, so zu tun, als arbeitete der Sender schon seit längerer Zeit, um die für das Abhören Verantwortlichen des deutschen Sicherheitsdienstes in Verlegenheit zu bringen. Man würde ihnen Nachlässigkeit vorwerfen.) In dieser letzten Sendung hatte der "Chef", wie er jetzt andeutete, davor gewarnt, dass dieser widerliche und dilettantische Stellvertreter des "Führers" irgend etwas Idiotisches tun werde, und nun empfahl er seinen Gefolgsleuten, sich ruhig zu verhalten, weil als Folge des wahnwitzigen Unternehmens dieses Burschen mit einer Hexenjagd zu rechnen sei. Auch er sei aus diesem Grunde während der vergangenen Tage nicht auf Sendung gegangen. Doch nun sei die Luft wieder einigermaßen rein, und er könnte die Fragen beantworten.

„Zuerst muss einmal deutlich gesagt werden“, erklärte der "Chef" mit schnarrender Stimme, „dieser Bursche ist noch nicht der schlimmste. Zur Zeit der Freikorps war er ein guter Kamerad. Aber wie die ganze Clique von Spinnern, Größenwahnsinnigen, Drahtziehern und Saisonbolschewiken, die sich unsere "Führer" nennen, hat er zu schwache Nerven, um eine Krise durchzustehen. Was geschieht, wenn er merkt, dass gefährliche Entwicklungen vor uns liegen? Er verliert den Kopf, packt Hormonpillen und eine weiße Fahne ein und fliegt davon, um sich und uns auf Gnade oder Ungnade diesem plattfüßigen alten jüdischen Trunkenbold Churchill auszuliefern. Dabei vergisst er vollkommen, dass er der Träger der am sorgfältigsten gehüteten Geheimnisse des Reiches ist, die diese widerlichen Briten jetzt aus ihm heraussaugen werden wie aus einer Flasche Berliner Weißbier.“ (Es folgte eine dramatische Pause.)

„Ich muss mich jedoch gegen eine Behauptung wenden, die einige Speichellecker im Führerhauptquartier verbreiten, dass nämlich der Kerl auf Befehl des "Führers" nach Großbritannien geflogen ist. Ich bin überzeugt, das ist ausgeschlossen. Der "Führer" hätte niemals einen Mann ins feindliche Ausland geschickt, der unsere Operationspläne so genau kennt. Ein Beweis dafür sind schon die drastischen Maßnahmen, die der "Führer" gegenüber denjenigen ergreift, die durch ihre Nachlässigkeit ermöglicht haben, dass dieser schwere Schlag gegen die Zukunft unseres Vaterlandes geführt wurde. Das sind die Schnüffler des Sicherheitsdienstes, die, wenn sie wirklich so tüchtig wären, wie sie behaupten, den armen Idioten rechtzeitig an diesem Unternehmen gehindert hätten. Doch leider hat dieser Oberidiot von einem Reichssicherheitschef, um selbst aus der Schusslinie zu kommen, eine Reihe von Männern verhaften lassen - führende Industrielle und hohe Offiziere der Abwehr -, alles echte deutsche Patrioten, die mit nationaler Eingabe ihrem Vaterland dienen, Männer, deren einziger Fehler es gewesen ist, dass sie die Nervenstärke dieses sogenannten Führerstellvertreters überschätzt und ihn Ende April die schweren Bedenken vorgetragen haben, die sie dem "Führer" selbst nicht vorlegen konnten, weil seine Umgebung aus einer Bande von Lügnern und Speichelleckern besteht.“ (Es folgte eine Liste angeblich verhafteter Personen.)

Doch das Erstaunliche war, dass wir diese Liste ohne genaue Kenntnis der Vorgänge zusammengestellt hatten, sich aber später herausstellte, dass einige der darin genannten Personen tatsächlich wegen des Verdachtes verhaftet worden waren, in die Pläne von Heß eingeweiht gewesen zu sein. Zu ihnen gehörte zum Beispiel ein gewisser Dr. Jahnke. Ich erinnere mich gehört zu haben, dass er der ranghöchste Spionagespezialist im Stabe von Heß war. Deshalb hatten wir ihn auf die Liste gesetzt. Als ich nach dem Krieg nach Deutschland kam, hörte ich zu meiner besonderen Genugtuung, dass der "Chef" seine Hörer nicht falsch unterrichtet hatte. Auch hatte ich, als ich den "Chef" von "einer schweren Krise" und "unmittelbar bevorstehenden gefährlichen Entwicklungen" sprechen ließ, keine Ahnung, dass Deutschland tatsächlich am Rande der seit 1939 gefährlichsten Entwicklung stand - vor dem Überfall Hitlers auf Russland.

Der "Chef" beendete die Sendung mit der sachlichen Mitteilung: "Das ist für heute alles. Ich werde das - wenn alles gut geht - stündlich jeweils sieben Minuten vor der vollen Stunde wiederholen. Immer sieben Minuten vor voll!" (Sendung von 23. Mai 1941)


Werwolf '45 - der letzte Wahn des Dr. Goebbels

"Wir sind die Stimme der deutschen Freiheitskämpfer. Sie hören uns jeden Abend ab 19.00 Uhr mit wichtigen Nachrichten auf der Welle 1339 Meter, 224 kHz."

Am 1. April 1945, es ist Ostersonntag, meldet sich zum ersten Male über den Rundfunk eine Bewegung zu Wort, das im "Völkischen Beobachter" so zitiert wird: Hass ist unser Gebet und Rache unser Feldgeschrei. Auf der alten Welle des Deutschlandsenders ruft ein "erfahrener" Werwolf dazu auf, schnell zu handeln:

"Errichtet Sperren und Fallen auf den Straßen, entfernt die Ortstafeln, beseitigt oder vertauscht die Wegweiser ... Telefon- und Telegraphenleitungen sind für uns gebaut, nicht für den Feind. Zerstört sie! ... Die Waffe in der Hand des Feindes bedeutet Tod für unser Volk. In Eurer Hand sichert sie die Freiheit des Volkes ... Die materielle Überlegenheit unseres Feindes ist nur seine Brust, im Rücken ist er leicht zu verwunden. An die Arbeit, Werwölfe! ... Wir Werwölfe geben alles für unser Volk. Und wenn wir nichts mehr zu geben haben, so sterben wir eben für das Volk. Wichtig ist nur, dass unser Volk rein und groß und untadelig aus diesen dunklen Zeiten hervorgeht ... Der Kampf der Werwölfe erobert ein Volk in Freiheit."

Angesichts solcher Töne mag der Dichter Thomas Mann nicht längst schweigen. Aus dem Exil im Amerika erklärt er am 5. April über die BBC an seine deutschen Hörer:

"Das Volk soll Amok laufen für sie, fanatisch soll es sein. Und wir reißende Wölfe seine Freiheit, das heißt die Untaten verteidigen, die es unter der Führung von Schurken überall draußen begangen hat. Der Werwolf soll die deutsche, die Nazi-Freiheitsbewegung heißen - eine geübte Gaunerpsychologie spekuliert mit dem Namen auf Instinkte der Volksseele, die sie von jeher frech und kalt ausgebeutet hat: den Sinn für das Urtümliche, das Vor-Vernünftige, Sagen- und Märchendunkle. Schon rühmt sich wahrhaftig die Propaganda einzelner sinn- und zweckloser Bluttaten, die der freie deutsche Werwolf begangen haben soll."

Zitieren wir nach Thomas Mann einen Schriftsteller, der in Deutschland geblieben ist: Erich Kästner. Er vertraut seinem Tagebuch an:

"Der Krieg im Äther wird zum Guerillakrieg, unübersichtlich und täglich rüder ... Und seit vorgestern stemmt sich der Werwolf-Sender gegen den nahenden Untergang. Er scheut vor keiner Hetzparole zurück. Er stempelt Kinder zu Helden, weil sie Handgranaten aus den Fenstern geworfen haben. Und den deutschen Frauen und Mädchen sind ehrenvolle Fensterplatze zugedacht. Man fordert sich zum Heroismus auf und empfiehlt ihnen, die einmarschierenden Feinde mit kochendem Wasser zu begießen.

Sender Werwolf: "Werwölfe! Die Rundfunksender der blutbefleckten angloamerikanischen Terroristen beginnen sich mit unserer Bewegung auseinanderzusetzen. Wir haben keinerlei Veranlassung, darauf in irgendeiner Weise einzugehen. Wir sprechen mit dem Feind nicht über den Rundfunk. Wir antworten nur mit der Tat."